Larveneltern

Haben Sie schon mal von Zahnseide gehört?

Ja? Auch wenn sie rhythmisch mit den Armen zappelt? Das Phänomen „Fortnite ist wirklich überall. Sogar in unserem Wohnzimmer!

Doch fange ich besser von vorne an: vor ein paar Monaten habe ich noch gelächelt, als ich mitbekommen habe, dass es bei der Tanzschule zu der ich seit sehr sehr vielen Jahren gerne gehe so genannte Fortnite-Kurse gibt. Da habe ich dann auch das erste Mal von diesem Computerspiel gehört und war etwas erstaunt, dass da auch getanzt wird. Aber meine Neugier war geweckt, so sah ich  mir bei YouTube ein Video an, in dem Fortnite-Tänze nachgetanzt wurden. Sagen wir mal so: sie rissen mich nicht vom Hocker.

Als wir am Rosenmontag beim großen Umzug in der Freiburger Innenstadt standen, fiel mir auf, dass überraschend viele Jungen ab etwa 10 Jahren merkwürdig durch die Gegend hampelten. Beim ersten schüttelte ich den Kopf, beim zweiten klingelte leise ein Glöckchen in meinem Hinterkopf und beim dritten fiel dann der Groschen: die tanzen Fortnite! Es sah für mich aber immer noch lächerlich aus.

Nun war auch mein Informatikermännchen, das früher -als es jung war- selbst diverse Shooter gezockt und auf LAN-Partys mit seinem Team im Turnier der ewige Zweitplatzierte war, ebenfalls neugierig geworden. Also probierte er Fortnite einfach mal aus. Ich muss dazu sagen, was Ego-Shooter angeht ist er ziemlich aus der Übung und man glaubt nicht, wie schnell die Reaktionszeit abbaut, wenn man sie nicht mit regelmäßigem Spielen trainiert. Das heißt, er reagiert „nur“ noch in normaler Geschwindigkeit nicht mehr ultraschnell. Nach einer knappen halben Stunde kam er frustriert zu mir geschlichen und regte sich darüber auf, dass Zitat: „Äh, das ist ja total blöd! Erst rennt man 10 Minuten blöd durch die Gegend und sammelt Waffen und solchen Kram, dann gibt es kein Tutorial, man weiß also nicht, was man drücken muss und wenn dann endlich der erste Gegner kommt, ist man tot und muss wieder von vorne anfangen zu sammeln!“ Und dann kam der Teil, der ihn am meisten störte: „Und dann musste ich mich auch noch von so einem stimmbrüchigen Halbstarken als Idiot beschimpfen lassen!“ Noch während er mir sein Leid klagte, musste ich herzhaft lachen wie schon lange nicht mehr.

Nun ja, nach dieser Erfahrung war das Thema Fortnite für mein Männchen gestorben und ich hatte es ebenfalls abgehakt. Mir fiel nur immer wieder auf der Straße auf, dass erstaunlich viele Grundschüler so affig herumhopsten und wunderte mich, dass die das schon spielen (dürfen).

Und dann passierte es. Ich saß am Montag bevor die Große ins Ballett musste, gemütlich auf der Couch und las das neue „Tanzen – das Magazin“. Der Artikel ging über (Sie haben es bestimmt schon erraten) Fortnite. Da war die Rede davon, dass inzwischen fast kein Kind ab der 3. Klasse die Begriffe „The Floss“, also Zahnseide oder „Loser L“ nicht kennt. Daneben war mit Bildern gezeigt, wie die Zahnseide zu tanzen ist. Während ich noch las, baute sich meine Tochter (2. Klasse, 7 Jahre) vor mir auf und fing an komisch mit den Armen zu schlenkern. Ich erkannte zwar eine gewisse Rhythmik, verstand aber nicht, warum ich mir das unbedingt ansehen sollte. Dann klärte sie mich mit diesem herablassenden Tonfall auf, der für begriffsstutzige Erwachsene reserviert ist: „Das ist Zahnseide, Mama!“ Moment! Zahnseide? Ein Blick aufs Bild, ein Blick auf die wieder zappelnde Große und es gab keinen Zweifel: in meinem Wohnzimmer wurde wirklich Fortnite getanzt! Und ich muss dazu sagen, das einzige Computerspiel, das meine Tochter bisher gespielt hat, war ein von meinem Mann selbst programmiertes, bei dem ein Einhorn Kristalle einsammelt… Dann erklärte sie mir geduldig, dass das die Jungs in ihrer Klasse tanzen und sie es nur noch nicht so gut kann. Damit war bestätigt: der Artikel hat recht. Wir beließen es dabei und fuhren zum Ballett. Und auf dem Rückweg wusste ich urplötzlich, dass ich alt und spießig war: Meine Große überbrückte die Zeit beim Umsteigen an Freiburgs belebtester Haltestelle in der Innenstadt mit einem kleinen Zahnseide-Tänzchen und ich wäre am liebsten im Boden versunken… Aber immerhin sah es schon cheffiger aus als im Wohnzimmer, das heißt das Übern bringt was – immerhin!

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