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Als ich das Buch „Das Pubertier“ von Jan Weiler las, lachte ich herzhaft. Das war jedoch mehr auf den Schreibstil als auf den Inhalt bezogen. Denn, um ehrlich zu sein: der Inhalt machte mir eine Heidenangst. Doch tröstete ich mich mit dem Gedanken „Bis dahin sind es noch mindestens sechs Jahre. Genug Zeit, um dich darauf vorzubereiten.“
Doch dann passierte das Unvorhergesehene: Schon wenige Monate später erkannte ich mein kleines, süßes und für ihr Alter meist recht vernünftiges Töchterlein nicht wieder.
Ich war entsetzt: meine Sechsjährige verhielt sich wie eine pubertierende Vierzehnjährige! Was sollte ich tun? Ich tat, was ich als Psychologin meistens mache: ich sah in ein Buch (vielleicht auch zwei oder drei). Das Ergebnis war: nichts! Das beruhigte mich einerseits, da es bedeutete, dass ich seit meinem Studium nicht alles vergessen hatte und auch, dass ich dieses Thema im Studium nicht völlig verpennt hatte. Zum anderen half es mir aber auch nicht weiter, da ich noch genauso ratlos war wie zuvor.
Glücklicherweise war mein Mann auch im Spiel. Er tat gleichzeitig das, was Informatiker tun: er googelte. Und siehe da, während ich nicht wusste, ob ich verzweifeln sollte oder nicht, kam er freudig und mit stolzgeschwellter Brust mit den beiden Begriffen „6-Jahres-Krise“ und „Wackelzahnpubertät“ zurück.
Zu meiner Erleichterung ergab meine darauffolgende eigene Internetrecherche, dass dieses Phänomen noch nicht so lange pädagogisch beschrieben wird. Meine Ehre war hiermit wiederhergestellt.
Noch besser fühlte ich mich, als ich mich etwas später mit einer Freundin austauschte, deren Tochter im gleichen Alter wie Sarah ist. Als ich vorsichtig andeutete, dass wir gerade eine etwas schwierige (hüstel hüstel) Phase durchmachten, berichtete sie haargenau die gleichen Verhaltensweisen, die bei uns zu Hause für mächtig Wirbel sorgten. So konnte ich mein frisch erworbenes Wissen gleich weitergeben. Und wir waren überaus froh, mit diesen Problemen nicht allein zu sein.
Nachdem mein Mann und ich nun die spärlichen verfügbaren Informationen über unsere neue Situation aufgesaugt hatten, mussten wir einen Weg finden, damit umzugehen. Dazu schlugen wir unseren üblichen Weg ein, an dessen erster Stelle stets der Stressabbau kommt. Dies erfolgt bei uns meistens über Sarkasmus. So entstand der Begriff „Die Larve“ für unsere Tochter. Belohnt wurden wir mit einem filmreifen Auftritt, der mit einem entrüsteten „Ich bin keine Larve!“ begann und nach einigen herrlichen Grimassen mit der zugeknallten Zimmertür endete.
Doch wie kamen wir ausgerechnet auf eine Larve? Eine Larve ist ein kleines Lebewesen aus der Gattung der Insekten, bei dem man keine Chance hat zu erkennen, was es einmal wird. Wikipedia drückt dies so aus: „Larve (von lat. larva Pl. larvae) bezeichnet in der Zoologie eine Zwischenform in der Entwicklung vom Ei zum Erwachsenenstadium. Sie tritt bei Tieren auf, die eine Metamorphose durchlaufen.“ Auf unsere Tochter übertragen, würde dies ungefähr so klingen: Die Larve hat den Nestschutz des Kindergartens (Ei) endgültig hinter sich gelassen, die Verpuppung (das Pubertier), in der die Larve zu ihrer fertigen erwachsenen Gestalt findet, hat jedoch noch nicht stattgefunden. So weiß keiner, ob unsere Tochter die
Pubertät als Schmetterling, Biene, Hornisse, Libelle, Motte oder anderes ge- oder beflügeltes Wesen verlässt.
Seit seiner Einführung sorgte dieser Begriff bei uns zu Hause für viel Erheiterung und trug zur Entschärfung mancher kritischen Situation bei.
Vermutlich fragen Sie sich nun: wie kann ein alberner Begriff einen Konflikt mit einer wutentbrannten Sechsjährigen beenden? Dies ging bei uns so: wenn Sarah wieder einmal voll in ihrem Larven-Verhalten gefangen war, reichte es, wie nebenbei das Wort „Larve“ fallen zu lassen. Dann vergaß sie völlig, was sie ursprünglich aufgeregt hatte und konzentrierte sich ausschließlich darauf, uns klarzumachen, dass sie keine Larve sei. Diese Diskussion endete schnell mit einem niedlichen Schmollmund, der jeden (auch Sarah) zum Lachen brachte.
Und Lachen ist bekanntlich die beste Medizin!