Die Larve in ihrem natürlichen Lebensraum
Wer gerne eine Larve halten möchte, sollte sich Gedanken über deren natürlichen Lebensraum machen. Was dabei alles zu beachten ist, erfahren Sie hier…
Wo sind Larven normalerweise anzutreffen? Dies ist eine schwierige Frage. Um eine Larve ausfindig zu machen, muss man zuerst wissen, in welchem Stadium sich das Tierchen gerade befindet. Dummerweise kann sich das aber von Minute zu Minute ändern. So wechselt unsere Larve in rascher Folge von einem verächtlichen: „Pah, dafür bin ich viel zu groß!“ zu einem völlig hilflosen: „Mama, ich kann meine Schuhe nicht alleine anziehen!“.
Doch zurück zu dem Problem, wo man eine gute Chance hat, seine Larve finden. Die „große“ Larve findet man häufig vor einem Spiegel, in dem sie sich ausgiebig bewundern kann. Kommt man hinzu, wird man als erstes aufgefordert: „Schau mal, wie hübsch ich bin.“. Während man noch versucht unter den vielen Ketten, Tüchern, Armbändern, Haarutensilien in unglaublicher Menge und schwer zu identifizierendem Glitzerbehang die eigentliche Larve zu finden, kann man ein undefinierbares Geräusch von sich geben, das normalerweise als Zustimmung aufgefasst wird. In dieser Phase sieht sie aus wie eine Mischung aus überladenem Weihnachtsbaum und einer Köcherfliegenlarve (das sind die, deren Körper man erst sieht, wenn man die vielen angeklebten Steinchen mühsam abpult).
Als ich unsere Larve einmal fragte, was sie denn da mache, kam die verwunderte Antwort „Ich bewundere meine Schönheit!“, als ob das nicht das Offensichtlichste auf der Welt wäre. Nun gut. Zum Glück gibt es bei uns zu Hause weder Make-Up noch Nagellack, so dass sich ihr Panzer immer recht einfach entfernen lässt.
Dies ist besonders wichtig, wenn sie sich dann urplötzlich wieder in die „kleine“ Larve zurückverwandelt, die fluchtartig ihren anderen natürlichen Lebensraum aufsuchen möchte: Die Schlammpfütze auf dem Spielplatz. Dort wird gematscht, dass es eine Freude ist. Riesige Burgen entstehen, die durch kräftiges Betätigen der Pumpe gigantische Wassergräben erhalten. Hier lässt sich leicht die Gefahr für die Larve erkennen: eine Weihnachtsbaum-Larve würde von dem schieren Gewicht ihrer Schmuckstücke vermutlich gnadenlos in den Burggraben gezogen, untergehen und nie wieder gesehen werden.
Interessanterweise ist es der matschenden Larve völlig egal, ob sie mit ihrem Lieblingskleid komplett im Schlamm sitzt oder ob sie sich die sandigen Hände am vorher sauberen T-Shirt abwischt. Ich werde immer verständnislos angesehen, wenn ich darauf bestehe, dass sämtliche sandigen Klamotten im Flur ausgezogen werden. „Wieso? Auf der Couch ist es viel gemütlicher!“.
Blöd wird es dann, wenn sich die eingematschte Larve plötzlich in die „große“ verwandelt: „Ihhh, ich will die ekligen Sachen nicht anfassen!“. Anhaben ist in Ordnung aber sie anfassen, um sie auszuziehen? Um Himmels Willen!
Eine Larve benötigt somit einen abwechslungsreich gestalteten Lebensraum, in dem sie all ihre Zwischenstadien ausleben kann. Die bei unserem Exemplar am häufigsten auftretenden Stadien sind: sich im Dreck wälzen, sich hübsch machen, in Ruhe gelassen werden und möglichst wild mit dem kleinen Bruder toben. Man beachte die Gegensätzlichkeit dieser Vorlieben. Durch den sprunghaften und nahtlosen Übergang von einer Phase in die entgegengesetzte, bricht auch eine gerade völlig glückliche Larve gerne im nächsten Moment in Tränen aus, da sie von allen anderen unbemerkt gerade das Stadium gewechselt hat. Lassen Sie sich davon nicht abschrecken. Sobald die Larve in der an die neue Stimmung angepassten Umgebung verschwunden ist, wird sie sich schnell wieder wohlfühlen.
Das Kinderzimmer, heute „Terrarium“ genannt, wurde zu einem sehr beliebten Rückzugsort, in dem sich unsere Larve gerne einigelt und dann nicht gestört werden möchte. Es ist erstaunlich, wie erfrischt eine vorher unglückliche Larve nach einer kurzen Ruhephase im Terrarium sein kann.