Wenn Kinder trauern
Wenn ein Kind ein Haustier bekommt, ist die Freude erst einmal groß. Doch müssen wir Eltern uns von vornherein im Klaren darüber sein, dass das geliebte Haustier je nach Art früher oder später sterben wird.
Als unsere Große sich ein Haustier aussuchen durfte (in einem gewissen Rahmen natürlich: kein Hund – das viele Gassigehen schafft sie nicht alleine, keine Katze – ich bin allergisch, kein Hamster – der steht erst auf, wenn sie im Bett ist…), fiel ihre Wahl auf Farbmäuse. Die kleinen Tierchen sind auch so niedlich, dass sich unsere ganze Familie sofort in sie verliebt hat. Die Kehrseite daran ist jedoch: Farbmäuse leben nur eineinhalb bis zwei Jahre. Das haben wir ihr vor dem Kauf auch gesagt. Zwar war sie optimistisch, dass IHRE Farbmäuse natürlich länger leben als alle anderen aber das Thema Tod stand von Anfang an im Raum. Jetzt ist unsere Große 8 Jahre alt geworden und wir hatten gerade die dritte Beerdigung. Doch wie ist sie damit umgegangen und wie sind wir als Eltern damit umgegangen?
Die Antwort ist erschreckend einfach: Kinder sind viel weniger zerbrechlich als wir oft denken und sie finden Wege mit Krisen umzugehen, auf die wir Erwachsenen gar nicht kommen. Als Tili als erste starb (ausgerechnet die zutraulichste Lieblingsmaus) war unsere Große natürlich am Boden zerstört und wollte sofort eine neue Maus kaufen. Also erfolgte ein Gespräch, dass man ein Lebewesen nicht einfach ersetzt, sondern es völlig in Ordnung ist, eine Zeitlang zu trauern. Wir hielten dann eine kleine Beerdigung im Garten ab und kuschelten auf der Couch, die Tränen strömten. Interessanterweise ging Tilis Tod auch meinem Mann und mir sehr nahe. Zum Glück war es bereits abends und eigentlich Bettzeit, so dass unser müdes Mäuschen bald von ihrer Trauer „abgelenkt“ wurde. Am nächsten Morgen kam sie ganz glücklich die Treppe herunter und verkündete fröhlich, dass Tili jetzt in ihrer Traumwelt sei und sie sie immer besuchen könne, sobald sie träumt. Dann erzählte sie noch ausführlich, das sich Tili dort wie eine Kindergärtnerin um Mäusebabys kümmert und dass es dort natürlich auch helfende Feen gibt. Ich war sehr überrascht von dieser detaillierten Coping-Strategie, die unsere Große völlig allein gefunden hatte. Und ihre Welt war wieder in Ordnung.
So ist jede weitere Maus, die der Altersschwäche zum Opfer fiel in diese Traumwelt eingezogen und lebt in ihrem Kopf weiter. So auch Lili, die heute als letzte der ersten Mäusefamilie gestorben ist. Und so wird es auch den vier anderen gehen, die wir nach Rosies Tod kauften, damit Lili nicht alleine ist.
Und was ich daraus gelernt habe ist ganz einfach: wir sollten mehr darauf vertrauen, dass unsere Kinder selbst auf für sie gute Lösungen eines Problems kommen und weniger versuchen alle Probleme für sie aus dem Weg zu räumen. Wenn wir selbst sofort eine Lösung präsentieren, übersehen wir vermutlich eine viel einfachere und kindgerechtere, die jedoch nur für Kinderaugen sichtbar ist. Schenken wir unseren Kindern das Vertrauen das sie verdient haben! Und ich habe noch etwas gelernt: unsere Tochter hat den Tod eines geliebten Begleiters viel besser verkraftet als ich erwartet hatte und auch in sehr jungem Alter war sie schon in der Lage ein recht tiefgreifendes Gespräch über Leben und Sterben zu führen. Das heißt unsere anfängliche Sorge, ob die Farbmäuse das richtige Haustier sind, war völlig unbegründet und unser zerbrechlich wirkendes Mäuschen ist viel stärker als wir dachten.